Comuna 13

Jetzt bin ich also in Medellin. Gestern Abend war ich noch essen in einem kleinen Restaurant nicht weit von hier. Hier gibt es viele Knaipen und Restaurants, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es hat auch nicht mehr geregnet und im Gegensatz zu Bogota war es nicht kalt. Wir sind hier aber auch nur noch auf 1500m.

Mein Restaurant war ein lokales mit kolumbianischer Küche. Es gab Bandeja Paisa. Im Wesentlichen Reis, gebratene Banane, Avocado, würzige Sauce mit Bohnen, ein Spiegelei und dicken Stücken von kross gebratenem Bauchspeck. Lecker! 





Dazu ein Bier: perfekt. 


Ich habe für heute eine Führung zur Comuna 13 gebucht. Es ist eine von insgesamt 16 Comunas. Diese Comunas sind Bezirke und mit den brasilianischen Favelas vergleichbar. Der Treffpunkt war nicht einfach zu finden, weil er an einer Metrostation war, die mitten auf einer Kreuzung mit dem Ausmaß vom Autobahnkreuz Frankfurt lag. 


Aber ich war rechtzeitig da. Mit mir wartete eine nette junge  Französin. Sie war auch solo unterwegs und kam gerade aus Brasilien. 

Unser Führer, Santiago, ist ein junger, charmanter Kolumbianer und steigt mit uns in die Metro. 


Die Stadt ist groß. In der Ebene fahren die Metros und viele Busse, wenn es den Berg hochgeht, gibt es mehrere Seilbahnen, die Teil des Systems sind. 

Wir benutzen 2 Metros, 2 Seilbahnen (die Berge hier sind ziemlich hoch) und einen Bus, bis wir am Eingang der Comuna 13 sind. 

Jetzt sind wir weit über den Stadt und als der morgendliche Dunst sich verzogen hat, war die Sicht auch beeindruckend.










In Folge des Bürgerkrieges sind viele Menschen enteignet worden und sind vom Land in die Stadt geflüchtet. Da es hier (vor allem im Talkessel von Medellin) keinen Platz gab, haben sie begonnen, ihre Holzhäuser am Berg zu bauen.








Diese Comunas wurden nun Heimat von verarmten Menschen und solchen, die sich verstecken mussten. Die Kriminalität hielt Einzug und schlimmer:  auch die Guerrillieros kamen und setzten sich hier fest. Sie brachten den Kokainhandel hierher und verstärkten durch ihre dadurch gewonnene Finanzkraft auch die Korruption. 


Es gab unzählige Schießereien, viele Tote und Verletzte. 

Vor 20 Jahren gelang es den Politikern hier, die Bewohner dieser Comuna „umzudrehen“. 

Die alte Seilschaft vor allem der FARC-Rebellen gibt es heute noch und vielleicht habe ich auch welche davon gesehen.

Aber die Transformation hier in der Comuna 13 (Bezeichnung: Revolution de Amor) scheint geklappt zu haben. 


Man hat einigen Bewohnern Zugang zu Hip Hop verschafft (Graffiti, Rap, Breakdance, DJ) und die haben das weitergegeben. 

Entstanden ist seit dem eine große, friedliche Gemeinschaft von Künstlern, die der einen oder anderen Kunstrichtung nachgehen. 










Die Straßen hier sind bessere Wege und gehen steil und in vielen engen Serpentinen bergauf.  Nur wenige Autos kommen hierher, ein paar Motorräder, aber viele Touristen.

Viele Wände sind mit kunstvollen Graffitos verziert, nicht das, was man von S-Bahnen bei uns kennt, sondern hohe Qualität, viele auch mit geschichtlichem Hintergrund. 


Zudem ist heute auch ein Sommertag. Die Sonne scheint und es ist warm. So erscheint alles noch freundlicher. 

Der Weg geht konsequent nach oben, aber hier haben wir einen weiteren Faktor zu „Resozialisierung“ kennengelernt: bequemen Zugang zu den Häusern in der Comuna. Dazu gehören die Seilbahnen als Teil des Nahverkehrs und dazu gehören viele Rolltreppen hier oben. Wer hier auf 300 oder 400m Höhe will, muss max. 30-40 Höhenmeter zu Fuß überwinden. 


Darüber sind wir in der Hitze auch nicht böse. Als nächstes bekommen wir eine Tanzshow. 5-6 junge Kolumbianer und 2 -innen, allesamt in meinen Augen hochklassige Sportler, machen für uns eine Performance. 

Ganz großes Kino. 












Eine kleine Eisdiele präsentiert selbstgemachtes Fruchteis und ein Laden ist mir aufgefallen, in dem Kinder aus altem Spielzeug sehr interessante und individuelle Werke geschaffen haben. 

Zum Schluss waren wir noch in einer Kneipe mit grandiosem Ausblick. Für 2000 Cops durfte man auf einen gläsernen Ausblick, das habe ich mir natürlich nicht nehmen lassen.






Insgesamt  4 Stunden hat die Tour (incl. An- und Abreise) gedauert und sie war ein absolutes Highlight. 


Zurück in Poblado, wo ich wohne, wollte ich eigentlich ins Hostel zurück, als ein scharfer Knall ertönte. Wie aus einem Gewehr oder einer Pistole. Keine Fehlzündung.

Sekunden später ein zweiter Knall. 

Auf der Kreuzung vor mir (wir waren wieder am Frankfurter Kreuz) maskierte und vermummte Männer. Wieder ein Knall. Die Männer hatten irgendwelche Pyro-Knaller und stoppten jeglichen Verkehr. 

Ich hörte mehrfach das Wort „Manifestation“, also Demo. 








Ich fragte einen Mann hinter mir, ob wir die Straße überqueren dürften (es kamen ja keine Autos mehr)? Aber er meinte: No. No! Und auch alle anderen Leute blieben stehen.


Ich wusste aber keinen anderen Weg, also rannt ich schnell rüber und war genau so schnell nicht mehr gesehen. Sollen die ruhig ihre Manifestation durchführen. 


Kurz ins Hotel, wenigstens die Socken ausziehen. Jetzt wollte ich ins Zentrum nach San Antonio fahren. Das liegt nördlich von mir und die Metro fährt da hin. Das Mädchen aus der Rezeption schenkte mir noch eine Top-up-Karte, die ich nur noch aufladen musste. 


Also stiefelte ich wieder zur Metro. Auf der Brücke (die über das Frankfurter Kreuz führt), sah ich südlich von uns einen Bus quer auf der Straße stehen. Dahinter Stau. Auch einem anderen Teilstück der Brücke, die über eine andere Autobahn führte, sah man viel Rauch und dahinter Stau. Beide Punkte ca. 500m entfernt.







Ich ging in die Station, stellte mich in eine Schlange, um meine Karte zu betanken und schnell war ich dran.


2600 Cops kostet die Hin- und Rückfahrt, also umgerechnet ca. 50 Cent. Ich zählte das Geld ab und plötzlich sagte das Mädchen hinter dem Glas: no! no! und gab mir meine Karte zurück.

Go! Go! Rief sie und zeigte auf den Ausgang. Gleichzeitig schob sie ein Schild „geschlossen“ hinter das Glas und sie und die anderen Mitarbeiter verließen den Schalterbereich und den Bahnhof.


Auch die anderen Passagiere, die die Durchsage verstanden hatten, gingen zügig zum Ausgang. Auch von den Gleisen kamen Menschen. 

Keine schöne Situation. Irgendwie schien es bei der Manifestation zu Ausschreitungen größerer Art gekommen zu sein. 

Friedliches Demonstrieren scheint nicht die Stärke der Leute hier zu sein. Oder es sind irgendwelche radikalen Kräfte. Wer weiß? Aber ich will es nicht herausfinden. 


Ich habe zugesehen, dass ich da wegkam. Leider ist das der einzige Hub, den ich kenne, um andere Orte in der Stadt zu erkunden. Hier gibt es Streckenpläne, die es bei den Bussen nicht gibt. 

Und Google kennt das Busnetz nicht wirklich. 

Also blieb mir nur das, was ich zu Fuß erkunden konnte.


Das war aber auch nicht übel. Hier in Poblado gibt es auch ein kleines Zentrum, außerdem musste ich noch das mit der Bezahlung der Unterkunft in Bogota hinbiegen. Also bin ich in dieses Zentrum gelaufen und habe eine Bank Bancolombia gesucht. 

Und gefunden.


Die sehr netten Mitarbeiter sprechen alle total gut Spanisch. Und meine paar Brocken reichen für Essen, trinken und wo ist der Bus, aber nicht für solche komplexen Transaktionen.

Die Frau, die ich angesprochen hatte, holte sich Verstärkung. 2 Menschen, die kein Englisch sprechen gegen einen, der kein Spanisch spricht. Das wird was. 


Die Lösung war einfach. Man kann hier am Bankomaten Geld auf ein Konto einzahlen.

Also musste ich erst mal Geld abheben. Ok, das bekomme ich auch an einem spanischen Automaten hin.

Und dann Teil 2.


Den haben die beiden Frauen gemacht. Aber die Bedienung des Automaten war selbst für die beiden Bankangestellten nicht einfach. Aber der 2. Versuch hat dann geklappt und ich hielt die gewünschte Quittung in Händen. 

Ich bin völlig begeistert über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hier!


Hier im Viertel gibt es viele kleine Geschäfte und unheimlich viele Kneipen. In einer Seitenstraße reihte sich Feiertempel an Feiertempel. Und auch am Nachmittag waren schon Gäste da!

Und was für welche.










Wenn ich mal auf die Frauen zu sprechen kommen darf: hier trifft man (in meinen Augen) typische kleine Kolumbianerinnen oder etwas größere, sehr schlanke, aufregende Frauen. Bei Gruppe 2 ist der „brazilian butt“ oft vertreten, aber viel öfter noch sind es gemachte Hupen.  


Die sind in der Regel seeehr gemacht und so hochgeschnallt, dass die Mädchen den Mund kaum noch aufkriegen. Eine kam mir entgegen, (jetzt bitte keine Fragen! Wo sollte ich denn sonst hinschauen?) da waren oben auf dem Busen schon blaue Adern zu sehen! 


Ich denke, das sind ganz normale Mädchen, obwohl mich an einer Ecke eine aus der Liga gaanz lieb angesehen hat. 

Ich bin aber nicht darauf eingegangen, genau so wenig wie auf die 4 oder 5 Typen, die mich mit Kokain versorgen wollten.


Am Abend bin ich dann noch mal in das Zentrum unseres Stadtteils gelaufen (hier soll es abends sicher sein) und habe was gegessen und mir zur Feier des Tages 2 Cocktails reingelötet. 








Heute ist mein 70ster Geburtstag. Vor 10 Jahren war ich an dem Tag in Dali / China, Provinz Yunnan. 

Das war damals meine erste Reise solo. Und seitdem bin ich süchtig.

Ich habe dann im Rahmen dieser Reisen meinen Geburtstag in Dali / China, Lima / Peru, Manila / Philippinen, Mumbai / Indien und Phitsanulok / Thailand verbracht, und jetzt ist es Medellin. Feiern werde ich nicht, wohl aber (hoffentlich) lecker essen gehen. 




Reisen ist mein Ding. Mich in völlig fremder Umgebung, umgeben von Menschen, die ich im Zweifel noch nicht mal verstehen kann, ist mein Ding. Mir fremde Länder, Kulturen, Speisen, Kunstwerke/Sehenswürdigkeiten kennenzulernen und Zusammenhänge besser zu verstehen ist mein Ding. 

Meine Frau Dagmar ist allerdings auch mein Ding, deshalb freue ich mich gleichzeitig auch sehr auf zuhause. 

Kommentare

  1. 2 Menschen, die kein Englisch sprechen gegen einen, der kein Spanisch spricht. Das wird was.

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