Kalt. Es ist kalt. Es ist arschkalt. Ich habe gut geschlafen, aber ich merke, Gesicht und vor allem die Nase sind eiskalt.
Es kostet viel Kraft, die warme Decke zu verlassen und mich anzuziehen. Und was soll ich anziehen? Kurze Hose und T-Shirt? Sandalen?
Nein, ich hole das wenige warme Zeug aus dem Rucksack. Naturgemäß ist es gaaaanz unten. Sneaker, Socken, lange Hose, T-Shirt und darüber einen Pullover.
6 Grad.
Wirklich kalt.
Ich koche Kaffee und mache ein kleines Frühstück.essen tue ich drinnen.
Die netten französischen Nachbarn aus Akaroa sind auch da und wollen, als ich zum Klo gehe, gerade ihr Grauwasser entsorgen.
Grauwasser. Jetzt kenne ich den Unterschied zwischen Grauburgunder und Grauwasser. Der Grauburgunder riecht besser.
Ich schaue den beiden zu und als das „Wasser“ fließt, stinkt es, als ob in dem Tank ein Wal verendet wäre. Vor 3 Monaten. Unglaublich. Was haben die da drin? Wohlgemerkt: Grauwasser ist Abwasser, das hat mit dem Klo nichts zu tun.
Jetzt, wo mir die beiden so schön gezeigt haben, wie man das macht, wage ich mich bei mir auch da ran. Zur Station fahren, Schlauch raus, rein in die Öffnung und Ventil öffnen.
Herr im Himmel! Was für ein Gestank! Und ich weiß, dass da kein Wal drin war. Etwas Spülwasser, Reste vom Zähneputzen - mehr nicht.
Fazit: ich bleibe beim Grauburgunder.
Auto fertigmachen, losfahren. Links abbiegen auf die Tankstelle, Scheibenwischer wieder ausmachen (ich lerne es nie) und tanken. 60$ passen rein. Und dann geht es los.
Ich muss es noch mal sagen: Autofahren macht Spaß in NZ. Leere Straßen, alle fahren gleich schnell, keiner drängelt, kaum Schlaglöcher, sehr wenige Baustellen….mir fallen bestimmt noch 10 Sachen ein.
Und dann die Aussicht. Da sind vor allem die Berge im Hintergrund und neben der Straße sind Weiden mit Kühen, Bullen, Schafen und Hühnern.
Felder mit irgendeinem Getreide oder auch Sonnenblumenfelder. Mit gemütlichen 90-100 gleite ich dahin. Ab und zu ein Dorf. Winzige Ortschaften werden mit 80 passiert, kleine mit 50. Manchmal sind es weniger als 10 Häuser, aber sie strahlen irgendwie Frieden und Ruhe aus.
Aber erst mal halte ich nach 20 Minuten an. Mir ist zu warm. Die Heizung habe ich schon lange ausgemacht, aber jetzt muss ich raus aus den Klamotten.
Also wieder Sandalen, kurze Hose und T-Shirt.
Schilder an der Straße: Wenn Sie ein Wallabee sehen, melden Sie sich bei irgendeinetelefonnummer. Die Kiwis haben zu Recht Angst vor invasiven Arten. Und es ist vorstellbar, dass irgendwelche Idioten solche Tiere hierher gebracht haben. Die haben hier keine natürlichen Feinde, richten aber viel Schaden an. Auch in Australien sind gerade die Wallabees nicht sehr beliebt, weil sie Kulturfolger sind und Gärten leerfressen. Man sieht hier auch oft Schilder, die auf Tierfallen hinweisen. Auch hier geht es um Tiere, die hier nichts verloren haben.
Man muss vielleicht wissen, dass hier viele flugunfähige Vögel leben. Die gehen halt zu Fuß. Man kann sich vorstellen, was nur eine Katze oder ein Fuchs hier für einen Schaden anrichten kann. Und schon angerichtet hat.
Mein Ziel für heute ist Lake Tekapo.
Ein himmlischer See mit einem himmlisch teuren Campingplatz. 45$ für ein kleines Auto ohne Strom. Nichts für mich. Aber andere Plätze gibt es hier nicht. Aber nebenan ist der Lake Alexandrine. Da gibt es einen Platz, der 20$ haben will. Schon besser.
Wie der Tekapo ist auch der Alexandrine wunderschön. Die Seen hier sind unter anderem so beliebt, weil sie so tiefblau sind. Das kommt von dem Sediment, das am Grund liegt und das noch aus der Zeit stammt, als hier nur Gletscher waren. Ich habe sowas noch nie gesehen. Toll.
Das Wasser auch im Lake Alexandrine ist glasklar. Sieht allerdings auch recht kalt aus. Wahrscheinlich noch von den Gletschern.
Der Weg zum Camp ist abenteuerlich. An der Straße steht ein Schild: zum Camping. Das Schild deutet auf ein geschlossenes Tor. Daneben die Auflösung: Tor öffnen und schnell wieder schließen, da hier Schafe weiden.
Und so ist es auch. Viele, sehr niedliche Schafe laufen hier überall herum. Ein 2 km langer Schotterweg (die armen Reifen) führt zum Camp.
Der Campingplatz ist ein Park mit kleinen Hütten. Es sieht so aus, wie Wochenendhäuschen. Es stehen 3-4 Zelte da, aber keine Menschen.
Hier herrscht Selbstbedienung. Man muss einen Meldezettel ausfüllen und 20$ in eine Box werfen. Dafür darf man hier stehen, ein Plumpsklo benutzen (allerdings einigermaßen sauber) und es gibt ein Duschhaus.
Das Duschhaus ist eine Wellblechbude mit einem Seil und einem Haken.
Man holt in einem Eimer Wasser aus dem See, hängt den Eimer an den Haken und kann mit dem Seil den Eimer, der dann über einem schwebt, kippen und das Wasser über sich laufen lassen.
Ernsthaft.
Für 20$!
Ich überlege. Alleine hier stehen? Mit den sanitären Highlights? Für 20 Ocken?
Nope!
Also,in die Karte geschaut und geforscht: was ist die Alternative. Dunedin oder?
Lake Pukaki
Liest sich auch nicht falsch. Also auf zum Lake Pukaki (50km)!
Die paar Kilometer fliegen an mir vorbei wie nichts.
Noch 15 km. Noch 8 km. Noch 2 km. Dann eine Kuppe, und als ich drüberfahre, sehe ich den wunderbaren See.
Atemberaubend. Es gibt einen Aussichtspunkt, da halte ich erst mal an und mache Fotos. Ein Engländer kommt dazu und meint: Ich habe den ganzen Weg von England bis hierher gemacht, nur um DAS zu sehen.
Kann ich verstehen. 400m hinter dem Aussichtspunkt weist ein Schild zu dem Camping. Der Weg ist auch nicht ohne. Schotter mit vielen Löchern und Wellen. Aber mit der Automatik kriegt man das gefühlvoll hin.
Der Platz ist groß und weitläufig. Es gibt keine „Plätze“, sondern man stellt sich da hin, wo man will.
Das tue ich dann auch.,
Superschön!
Erst mal Kaffee machen!
Dann erkunde ich den Platz. Hinter einem Hügel gibt es sogar Toiletten. Und die sind sauber! Wow! Es sind Plumpsklos, weil es hier keine Kanalisation gibt und weil man die Kac…. nicht im See haben will.
Dann gehe ich runter zum Wasser.
Ob es kalt ist?
Sieht so aus.
Mal versuchen? Wenigstens mit den Füßen?
Ja, ich mache es. Und wieder was gelernt. Ja, es ist nicht warm!
Der See macht einen ruhig. Ich merke das an mir. Als ich ankam, dachte ich: halb eins, was mache ich für den Rest des Tages? Und dann fing es an. Ich merkte, wie mein Puls runterging, die Atmung, alles. Ich war nicht müde, nein, einfach ruhig.
Ich sitze da, schaue auf den See, die Berge dahinter und auf den Schicksalsberg. Ach nein, das war ja der Herr der Ringe. Dies hier ist der Mount Cook. Ich sitze, unten am See kommen Wanderer und Mountain-Biker vorbei und ich lasse die Seele baumeln. Es ist so, wie in dem Sketch von Loriot, wo die Frau die ganze Zeit ihren Mann nervt und fragt: was machst du? Was denkst du? Und der Mann sagt: ich sitze. Ich will einfach nur sitzen.
Der Mann bin ich!
Schön ist es hier. Und ruhig. Nur manchmal hört man ein Flugzeug. Hier ganz in der Nähe ist ein Flughafen für kleine Maschinen. Von da aus kann man auch Rundflüge zum Mount Cook buchen.
So sitze ich gemütlich in der Sonne, Kopfhörer im Ohr, nette Musik von Lindenberg, Rammstein und Queen.
Da spricht eine Stimme in meinem Kopf.
Es ist die gleiche Stimme, die eben noch gesagt hat: bleib sitzen! Du willst hier nur dasitzen. Ganz ruhig!
Und was sagt sie jetzt?
Willst du nicht schwimmen gehen?
Wenigstens einmal kurz?
Komm, in der Sonne bist du schnell wieder trocken und warm!
Und was soll ich sagen? Badehose an, Handtuch geschnappt und runter. Zwischen den Felsen und Steinen zu klettern, war nicht einfach, aber ich habe langsam gemacht und bald stand ich bis zu den Knien im Wasser.
Das war der leichte Teil. Aber der andere war auch nicht schlimm. Luft anhalten und abtauchen!
Schön war das. Ehrlich. Sehr erfrischend und die freundliche Sonne hat wirklich alles getan, den Schmerz zu lindern. Super!
Es gefällt mir hier unheimlich gut! Normalerweise habe ich es nicht so mit der Natur. Meine Freunde Frank und Stefan würden lauthals lachen, wenn sie das hier läsen. Aber hier geht einem wirklich das Herz auf!
Was hier übrigens auch noch geht, sind Himmelsbeobachtungen. Es gibt wenige Orte, wo es so dunkel ist, wie hier. Auf den Berggipfeln habe ich auch schon Observatorien gesehen. Bin sehr gespannt!
Gegen Abend kommen ein paar Wolken. Der Gipfel des Mt Cook ist nicht mehr zu sehen. Dafür verwandeln sich die anderen Berge. Den ganzen Tag lang haben sie grau ausgesehen, aber jetzt, im Abendlicht, kann man erkennen, dass sie in Wirklichkeit grün und bräunlich sind.
Es wird langsam Zeit, wieder ein T-Shirt anzuziehen.
Der Platz hier hat sich gefüllt. Er ist sehr groß und weit davon entfernt, voll zu sein. Meine französischen Freunde vom ersten und zweiten Tag sind auch hier. Sie haben auch die anderen beiden Seen besucht, wollten da aber, wie ich, nicht bleiben.
Unweit von mir steht ein holländisches Pärchen. Sie haben den gleichen Wagen wie ich zuhause. Einen Jimny. Nur ist hier ein Dachzelt drauf. Hinten ist eine kleine Küche und über eine Leiter klettern sie dann am Abend in das Zelt.
Sieht toll aus.
Aber glücklich sind die beiden nicht. Der Wagen ist sehr windempfindlich (ist er übrigens auch ohne Dachzelt) und wenn man sich im Bett umdreht, hat man Angst, das Auto kippt um.
Sieht geil aus, kostet aber auch 185$ pro Tag. Das sind umgerechnet 115€. Schönheit will bezahlt werden…
Morgen gehe ich nach Dunedin. Auf einen Bezahl-Campingplatz. Dunedin ist eine größere Stadt und das free-camping ist weiter außerhalb. Außerdem hat mein Platz angeblich eine Dusche. Das wäre gut.
Schönheit.
AntwortenLöschen