Gestern Abend war ich tatsächlich noch mal in der Kneipe, die ich schon nachmittags besucht hatte. Und auch am Abend war sie die einzig wirklich volle Kneipe. Allerdings so voll, dass ich nur noch einen Platz innen bekam. Warm und laut. Aber egal.
Heute früh war der Start etwas schwierig. Ich hatte mir in der Mikrowelle Wasser für Kaffee heiß gemacht, mich dann aber doch nicht getraut, ihn zu trinken. Das Wasser hier ist vielleicht doch nur für äußerlichen Gebrauch bestimmt. Fanta zum Frühstück. Auch gewöhnungsbedürftig.
Aber heute wollte ich Managua erobern.
Begonnen habe ich mit dem Japanischen Garten, den ich sogar von meinem Küchenfenster aus sehen kann.
Mount Fuji
Es ist ein kleiner Park mit kleinen japanischen Gebäuden und nach der typischen Art der japanischen Gartenkultur angelegt. Akkurate und gepflegte Wege, kleine Brücken über nicht vorhandene Gewässer und sogar einen winzigen Mount Fuji haben sie angelegt.
Nett. Inclusive dem Rauschen der 6-spurigen Hauptstraße nebenan.
Punkt 1 erledigt.
Nun zu Punkt 2: der Area Monumental. Das ist die Gegend mit den TOP- Sehenswürdigkeiten in Managua.
Bus, Taxi, oder zu Fuß? Der Reiseführer rät von dem undurchsichtigen Busnetzwerk ab. Taxi? Ja, am besten anrufen. Auf der Straße winken kann gefährlich sein.
Fazit: zu Fuß geht immer. Auch, wenn‘s warm ist. Außerdem sehe ich was von der Stadt.
Es war furchtbar. Mein Weg führte durch wirklich seelenlose, schmutzige Straßen. Ich war auch der einzige Fußgänger. Sowas tut sich niemand an. Schmutzige Straßen, in denen es nichts zu sehen gibt. Und ich bin im zentralen Sektor von Managua. Dass es in diesen Straßen unsicher ist, ist klar. Wenn ich hier wohnen würde, wäre mein Berufswunsch auch: Räuber. Oder wenigstens Drogenkurier. Irgendwas, womit man Kohle machen und hier weg kann.
Fast 20 Minuten laufe ich an einem Kanal entlang, der voll mit Unrat ist und der furchtbar stinkt.
Wohlgemerkt: ich bin immer noch im Zentrum in der Gegend, wo die Gäste von Booking.com am liebsten wohnen.
Ich komme auf eine andere Straße, hier gibt es keinen Müll-Kanal, aber die Trostlosigkeit bleibt. Wie kann man hier wohnen?
Die Menschen hier sind total nett…
Nach ca. 4 1/2 km wird es heller. Ich komme über eine sehr breite Straße. Links ist ein Park, rechts ein riesiger Platz.
Falsch: rechts ist ein riesiger, leerer, menschenfeindlicher Platz mit irgendwelchen (in meinen Augen geschmacklosen) Plastiken.
Weiter rechts ein weißer Prunkbau: der Palacio National. Daneben das einzige schöne und interessante Gebäude der Stadt: die Kathedrale.
Eine Stadt mit (je nach Zählweise) 1 oder 2 Millionen Einwohnern hat ein schönes, sehenswertes Gebäude! Chapeau!
Die Kathedrale, um mit dem Positiven anzufangen, ist bei dem Erdbeben von 1972 größtenteils zerstört worden und man schaut nur auf die langsam weiter verfallende Ruine. Der Reiseführer sagt: die ehemals wunderschöne Kathedrale ist innen völlig zerstört. Eine Kirche ohne Herz in einer Stadt ohne Zentrum. Das beschreibt es gut.
Es gelingt mir, unbemerkt durch den Schutzzaun etwas näher an das Bauwerk zu kommen und diesen „Lost Place“ etwas näher zu betrachten. Da wäre ich gerne reingegangen. Aber es ist nichts zu sehen, was auf eine Restaurierung hindeuten könnte.
Auch so ein Witz. Leon und Granada streiten sich und als ausgleichende Geste wählt man Managua als gemeinsame Hauptstadt. Managua, das als einzige der Städte am Rand einer tektonischen Platte liegt und damit höchst Erdbebengefährdet ist….
Ich bin dann in den protzigen Palacio National gegangen. Das ist so eine typische Art, wie man in den 70igern historischen Gebäude nachgebaut hat. Riesige Säulen, großzügige Treppenaufgänge, Galerien…
In dem Palast ist ein Museum. Für 5$ bin ich dabei. Es war aber eher ein 1$-Museum.
Selbstgestrickte Exponate, ein paar alte Knochen und Pottery. Hier geht es um die Frühgeschichte / Entstehungsgeschichte von Nicaragua mit Knochenfunden von Riesenfaultieren, Mammuts, Bären und anderen Geschöpfen. Die Ausstellung von Tongegenständen wiedeum war ganz schön und interessant. Nur die Präsentation war gewöhnungsbedürftig.
Man kennt das z.B von ganz alten Schuhgeschäften, die in ihr Schaufenster einfach ALLE Schuhe nebeneinander aufgereiht haben, ohne jede Deko oder Unterteilung. So kann man sich auch die Töpfe und Krüge hier vorstellen.
Es gibt auch eine Kunstausstellung. Einige Werke finde ich auch garnicht schlecht, andere repräsentieren auf tragische Weise den Charme dieser Stadt!
Die beiden Bilder hier drüber zeigen den Charme der Stadt 😄
Schulklasse malt Bilder
Vor dem Museum ein riesiger, seelen- und lebloser Platz ohne Schatten.
Daneben ein riesiger, seelen- und lebloser Platz ohne Schatten. Ein paar Denkmäler von Sandino oder Dario. Dario war ein Schriftsteller, Sandino war der Guerrillaführer im Kampf gegen die amerikanischen Besatzer. Ortega, der heutige Staatschef, ist Vorsitzender der Frente de Sandinista Liberacion.
Es ist eine furchtbare, lebensfeindliche Gegend und die zerstörten Fenster der ehemals schönen Kathedrale wirken wie leblose Augen.
Ich verlasse das Areal und gehe zur Paseo Salvador Allende.
Ich gebe zu, dass ich dieses Areal am See wider besseres Wissen für einen Strand gehalten habe. Deshalb habe ich auch ein Handtuch dabei 😅 und eine Badehose unter meiner Shorts.
Leider scheuert die Badehose in Verbindung mit dem unvermeidlichen Schweiß ziemlich und macht das Gehen nicht angenehmer.
Die Paseo Salvador Allende liegt an dem ebenfalls riesigen Managuasee. Der See ist in etwa doppelt so groß wie der Bodensee und es ist unverständlich, warum hier nicht riesige Strände sind.
Wenn man allerdings recherchiert, wird man erfahren, dass der See die größte Kloake in Mittelamerika ist. Alle Abwässer von Managua, aller Müll, alle industriellen Abwässer bis hin zu Schwermetallen wie Quecksilber fließen in den See. Es wird nicht empfohlen, Fische aus dem See zu essen.
Der Paseo de Salvador Allende ist ein großer Vergnügungspark mit vielen Restaurants (heute alle geschlossen) und Fahrgeschäften (heute alle geschlossen), 2 Fähren (heute beide geschlossen) und unzähligen Sonnenschirmen mit kleinen Sitzgelegenheiten darunter.
Die Pferde sind verhüllt. Sie waren wohl auch den Ausstellern zu häßlich
Kilometerlang Tische mit Bänken für Picnics und kein Mensch!
Die Menschen hier fahren wohl am Wochenende (moment mal, heute ist doch Samstag?) mit ihren Kindern hierher und haben Spaß. Oder auch nicht.
Eintritt: 5 Cordobas. Ohne Quittung.
Keine Sonnenliegen, keine Menschen unterwegs, ein toter Park in einer toten Gegend.
9km bin ich bisher gelaufen, die Stadt ist groß. Aber irgendwie muss ich auch zurück. Ein Taxifahrer hupt. Nein, den will ich nicht. Taxis hier haben das Taxischild und ein rotes Nummernschild. Der hier ist ein illegales Taxi. Kurz dahinter steht eine Motorradrikscha. Das könnte lustig sein. Der Typ ist auch motiviert, aber nur, bis er das Ziel erfährt.
Universidad? Ja, in der Nähe von der Uni! „It‘s a lot of far!“ war die Antwort. Schöner kann man das nicht sagen!
Als ich zuhause ankomme, tun mir die Füße weh wie Hölle. Und ich bin auch sehr froh, als ich die Badehose ausziehen kann.
Fazit:
Alles ist relativ. San Jose de Costa Rica war häßlich, bis ich Managua entdeckt habe. Wenn ich jetzt so zurückdenke: so schlimm war das eigentlich nicht.
Ich bin froh, nach Managua gefahren zu sein. Ich habe schon viele Städte gesehen, aber so eine noch nicht.
Es ist nicht so sehr der Schmutz, es ist viel mehr das Nichtvorhandensein einer Seele.
Belmopan!
Belmopan ist die Hauptstadt von Belize. Die hat auch keine Seele. Die hat eigentlich nichts. Auch keinen Körper, kein Herz. Managua hat wenigstens eine Körper. Keinen schönen, aber immerhin.
16 km musste ich laufen, um das zu ermitteln. Deal!
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