Heute beginnt der Tag mit einem Kirchenrundgang. Ich hatte gestern schon versucht, die Iglesia de la Recoleccion zu besuchen. Heute hatte sie auf. Sie sollte die schönste Kirche in Leon sein, aber das liegt ja immer im Auge des Betrachters.
Sooo toll fand ich sie nicht. Allenfalls interessant sind die riesigen Säulen aus Mahagoni, die das Dach tragen und die Medaillons, die die Geschichte Jesu zeigen.
Eine Kirche eben.
Von der Iglesia San Sebastián, zu der ich dann ging, war, wie im Reiseführer beschrieben nur noch die Ruine zu sehen. Somozas Bomben haben die Kirche von 1745 zum Einsturz gebracht. Kann ich also auch einen Haken dranmachen. 😁
Dann kam ich auf die Schnapsidee, mal den örtlichen Personennahverkehr auszuprobieren. Das ging erstaunlich gut! Ich fuhr mit dem Bus zum Terminal und damit auch zu dem größten Markt. Beides hatte ich ja schon bei der Ankunft gesehen, aber mit Rucksack auf dem Rücken hat man nicht die Muße, sich Dinge genauer anzusehen.
Das Chaos steht den Busterminals in Asien um nichts nach. Es ist staubig, stinkt nach Diesel, Motoren brüllen in höchster Drehzahl, alle Leute schreien durcheinander und alle hupen. Das ist auf dem Terminal selber so, aber auch auf den Zufahrtswegen.
Die Nicaraguaner haben keinen Stress damit, mitten auf der Straße anzuhalten und irgendwas zu machen. Auszusteigen, zum Beispiel. Und die Autos dahinter hupen dann. Ununterbrochen oder Stakkato.
Am schlimmsten sind die Busfahrer. Der Stau macht alle gleich. Da stehen 2 Busse, 6 Autos, 3 Motorräder, 2 Pferdefuhrwerke und 12 Rikschafahrer dicht an dicht und alle, die eine Hupe haben, machen Krach. Nur der ganz vorne, der erste, der nicht. Kann er ja auch nicht. Er ist ja nicht in seinem Auto sondern kauft Zigaretten oder irgendwas.
Himmlisch!
Der Markt ist genau so hektisch. Enge, dunkle Gänge, Leute, die irgendwas schweres schleppen und andere, die mitten im Weg stehen und reden. Dazu viele Hunde, die auf der Suche nach Fressen durch die Gänge schleichen. Es sind relativ große Hunde, sie könnten was von den Auslagen klauen, aber sie tun es nicht. Wahrscheinlich hat es jeder schon mal versucht und schlechte Erfahrungen gemacht. Die Tiere sind sehr diszipliniert. Man kann allerdings auch ihre Rippen mühelos zählen.
Mein Magen ist heute nicht 100%ig in Ordnung, deshalb habe ich den kulinarischen Versuchungen widerstanden und bin einfach durch die Gänge gelaufen. Am Schluss habe ich noch mal die Möglichkeiten gecheckt, wie ich nach Managua zurückkomme und habe dann tatsächlich auch wieder einen Bus ins Zentrum gefunden.
Die Nahverkehrsbusse sind übrigens moderne Busse, ziemlich sauber und fast bequem. Die Fahrer allerdings sind furchtbar. Hartes Beschleunigen und ebensolches Bremsen gehört zum Standard, genau so wie ruckartiges in die Kurven gehen. Selbst beim Sitzen muss man sich gut festhalten! Aber hey: 6 Cordobas (0,15€) kostet die Fahrt!
Eine der sehr gehypten Sehenswürdigkeiten hier in der Stadt ist das Museo Historico de la Revolucion. Der ganze Spuk ist gerade mal 40 Jahre her, daher ist die Bedeutung der Revolution und die Verehrung der Märtyrer hier auf hohem Niveau.
Überall sieht man Bilder von Sandino und auch Carlos Fonseca Armador.
Hier in dem Museum soll die Geschichte präsentiert werden.
Es ist ein altes Verwaltungsgebäude, das leider in einem bedauernswerten Zustand ist. Eigentlich ist es eine Ruine. Im unteren Bereich sind 2 Räume mit Fotos und ein junger Nicaraguaner erläutert immer mit Bezug zu den Bildern, die wechselvolle Geschichte von Sandino und den Nachfolgern.
Es ist eine Geschichte, geprägt von Korruption und starkem Einfluss der USA auf der einen und Widerstand durch starke Führer und eine mehr und mehr protestierende Gruppe, die vorwiegend aus Intellektuellen und jungen Studenten bestand auf der anderen Seite.
Es gab politische Morde, Somoza ließ (auf Geheiß der Amis) Sandino ermorden und wurde seinerseits von einem Dichter erschossen.
Es gab viele Gräueltaten auf beiden Seiten. Das „Logo“ von Sandino zeigt, wie einer seiner Kämpfer einen anderen enthauptet. Eine schmutzige Geschichte, die auch heute noch nicht zu End ist.
Ortega ist faktisch ein Diktator und es ist eine Frage der Zeit, bis es hier mal wieder kracht. Vor 5 Jahren hat es in Masaya (nicht weit von Managua) Aufstände mit Straßenschlachten gegeben.
Danach zeigte er uns noch das Haus. Ein sehr herrschaftlicher Aufgang brachte uns in den ersten Stock. Alles war sehr verkommen und voller Vogeldreck. Türen und Fenster waren verrottet und bevor ich auf den Balkon trat, habe ich nach unten geschaut, ob der auch wirklich trägt.
Während wir da standen, gingen die Sirenen los. So ganz normale Notfallsirenen, wie wir sie an den Test-Tagen auch kennen. Ich hatte das gestern schon erlebt und einen Heidenschreck bekommen. Den Leuten auf der Straße schien das aber egal zu sein. Jetzt ergriff ich die Chance und fragte, was der Krach bedeute.
Die Antwort war köstlich. Die Sirenen heulen jeden Mittag. Es ist das Zeichen, dass die Schule aus ist und dass sich die Familie zum Essen trifft.
Unfassbar!
Zurück zum Gebäude.
Die Räume waren sehr groß und von Tauben bewohnt. Total schade um so einen herrlichen Bau. Aber das beste sollte noch kommen.
Wir gingen noch eine Etage höher auf das Dach! Es war ein verrostetes Wellblechdach! An manchen Stellen gab es verdächtig nach und oft machte es, wenn man auf ein neues Blech trat, andere Geräusche als vorher. Sehr spooky! Der Blick war natürlich genial, aber das trat ein wenig in den Hintergrund, wenn man an den Rückweg dachte.
Die Führung war sehr informativ und es wäre schöner gewesen, wenn der Mann etwas langsamer gesprochen hätte; so war sein Englisch sehr anstrengend.
Um das Ganze komplett zu machen, suchte ich einen weiteren Ort auf. Was mich zur Casa del Obrero führte. Dieses unscheinbare Haus war die Stätte, in der der Dichter Rigoberto Lopez Perez den Diktator Somoza erschoss um danach im Kugelhagel der Wachen ebenfalls das zeitliche zu segnen.
Danach hatte ich mir am Markt erst mal eine Lemonada verdient. Das Zeug ist unheimlich lecker. Und erfrischt!
Und was für einen Unsinn kann man nachmittags in Leon noch treiben?
Nach der guten Erfahrung mit dem Figaro in Matagalpa wollte ich jetzt doch auch die Haare ordentlich gemacht haben. Natürlich habe ich mich mit Google vorbereitet.
El pelo no debe acortarse, sólo cortarse cuidadosamente. (Die Haare sollen nicht kürzer werden, sondern nur ordentlich geschnitten.)
Das Dilemma war, dass der Friseur das nicht verstand. Er diskutierte mit seinem Kollegen (mit mir ging ja nicht) und nickte dann. Offensichtlich hatte er einen Plan. Bloß welchen?
Er fing an und mit Schrecken sah ich große Haarbüschel zu Boden fallen.
No, no, no! Un pequeno! (Ein bisschen).
„Un pequeno mas o un pequeno menos?“
Das verstand ich zum Glück!
Etwas weniger!
Er verstand und zeigte mir, wieviel er fortan abschneiden wollte! Ok, das passte.
Es ist immer wieder spannend! 🙂
Mit dem Ergebnis war ich dann zufrieden. Er hätte mir vielleicht etwas längere Haare lassen können, aber egal. Wächst ja wieder!
Ich habe das Bild gesehen, das du mir zuvor geschickt hast, und ich fühlte mich, als hättest du einen Haarschnitt.
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