Gestern Abend noch lange mit Veronika und Krystoph geredet, allerdings etwas leiser und kürzer als am Abend davor. Man sitzt hier in dem Innenhof des Hostels sehr nett und vom Tisch bis zu Kühlschrank mit dem kalten Bier sind es nur 4 m.
Die Estacion de Ferrocaril (Bahnhof) ist mein erstes Ziel heute früh. Der stillgelegte Bahnhof ist ganz im Norden der Stadt und einerseits sind die rechtwinkligen, schachbrettartigen Straßen einfach zu navigieren, aber das laufen ist dann doch langweilig.
Es ist ein hübsches, altes Bahnhofsgebäude direkt neben dem Parque de la Poesia, der leider stark nach Pipi riecht. Vor der Türe liegt ein Hund. Er bewacht allerdings das Gebäude nicht, sondern er schläft da nur. Man kann ohnehin nicht hinein, weil es mittlerweile eine Schule ist. Überall durch die offenen Fenster sieht man junge Leute büffeln.
Links vom Bahnhof steht eine Lok und rechts davon ein paar Wagen.
Ein Uniformierter bietet mir an, dass ich für 1 $ den Zaun passieren und mir die Dinger genauer ansehen darf.
Quittung? Nööööö. Geschwind verschwindet der Dollar in der Tasche des Uniformierten.
Die Lok ist so verrostet, dass ich mich kaum in den Führerstand wage. Aber sie ist sehr alt. Die Bahnhofshalle ist ganz schön und hinten stehen dann die Wagen. Vorne der Präsidentenwagen, in den ich nur durch das Fenster sehen kann. Gemütliche Ledersessel zeugen vom Glanz der guten alten Zeit.
Direkt dahinter ein Wagen für das Volk. Oder gegen das yvolk. Je nachdem. Man kann aus so einem Bahnhof sicherlich touristisch mehr machen, aber auch so hat er seinen Charme.
Auf dem Weg zurück kehre ich in ein kleines Café ein und bekomme einen frischgepressten Orangensaft. Davon gibt es hier genug!
Danach geht es zum Markt. Nicht einfach so oder aus Spaß, sondern in einer Mission. Meine Sandalen fallen auseinander.
Sie waren bei Antritt der Reise noch fast neu, aber jetzt sind sie langsam „um“. Wenn ich dem Schrittzähler glauben darf, bin ich auf der Tour bis jetzt 670km zu Fuß gelaufen. Weit über 90% davon mit diesen Sandalen. Aber es waren „normale“ und keine Trekkingsandalen.
Ich fand schnell einen Schuhmacher, der sich auch ohne mit der Wimper zu zucken über den linken Schuh hermachte.
Er klebte, was noch zu kleben war und fixierte mit Schuhgarn und einer Ahle, was fixiert werden musste.
Keine 10 Minuten dauerte der Spaß und ich denke, ich habe mir vielleicht weitere 150km erkauft.
Ich habe noch andere Schuhe dabei, aber die Sandalen sind so schön ausgelatscht. Aber ich bin sicher, dass wir uns spätestens in NY trennen werden.
Nach einem kurzen Mittags-Nickerchen ging ich zum Friedhof. Just in dem Augenblick, als ich ankam, fuhr die Friedhofskutsche weg und ich konnte die reich geschnitzte, schwarze Kutsche nicht mehr fotografieren. Im Internet habe ich genau diese Kutsche gefunden. Toll!
Der Friedhof ist gigantisch groß, und überall brennen Feuer. Gerade werden Laub und Äste zusammengefegt und zwischen den Gräbern angezündet. Kommt einem fast vor wie Indien, aber dieses Mal sind es nur Äste. Es gibt diese Wandgräber, aber auch riesige Gruften und ganze Hallen. Alles ist weiß gekalkt und es gibt wenig Grün und Schatten. In einem Gang findet eine Trauerfeier statt. Gitarrenmusik und Trompeten (typisch mexikanisch) und Gesang. Ca. 60-70 Leute stehen da, wahrscheinlich ist das der Tote, der gerade mit der Kutsche angereist ist.
Generell kommen mir die Gräber ziemlich protzig vor, aber wenn ich an den Nordfriedhof daheim denke, will ich mir kein vorschnelles Urteil erlauben. So unterschiedlich sind Menschen nicht.
Vor dem Friedhof habe ich mir dann ein Schabeeis gekauft. Ein Eisblock wird abgeschabt, so dass etwas wie Schnee entsteht und dann wird da etwas sirupartiges drübergekippt. Schmeckt so lecker, wie es sich anhört!
Auf dem Hinweg hatte ich ein Ticabus-Office gesehen und da habe ich ja auch noch eine Rechnung offen.
Die sehr hübsche junge Frau sprach gut Englisch, interessierte sich aber sonst nicht so sehr für meinen Fall. Warum ich nicht mit dem Bus gefahren sei? Weil er nicht gekommen ist. Doch, er ist gekommen. Nein, er ist nicht gekommen. Doch! Nein! Doch! Nein!
Wir hätten ewig so weitermachen können. Schließlich gab sie mir die Mailadresse von ihrem Chef. Sauber weiterdelegiert!
Mein letzter „Termin“ heute war dann nach dem Friedhof die Kirche. Die alte Iglesia la Merced hat einen hohen Turm, von dem aus man einen schönen Blick über die Stadt hat.
Stimmt.
Ein junger Mann kassiert einen Dollar (das scheint hier eine geübte Transaktion zu sein) und lässt mich quittungsfrei in den Turm. Die überaus enge Wendeltreppe ist echt nur mit festhalten zu besteigen. Abenteuerlich.
Der Blick oben ist wirklich toll, man sieht die Stadt und den asee und es geht ein herrlicher Wind. Dann kommt ein junger Mann hoch und deutet mit Zeichensprache an, dass wir uns die Ohren zuhalten sollten.
Zum Glück habe ich das getan.
Zwischendurch habe ich die Finger mal weggenommen, aber nur eine 100stel Sekunde.
Die beiden Glocken waren derartig laut, dass es tatsächlich in den Ohren fast wehtat.
Nach 15-20 Sekunden war der Spuk aber vorbei.
Das nette Pärchen, Veronika und Krystoph, sind ja heute früh abgereist. Das wird dann leider ein langweiliger Abend!
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