Schlecht geschlafen. Einfach wach geworden (4 Uhr) und nicht mehr eingepennt.
Egal.
Heute wird Matagalpa erkundet. Der erste Weg führt mich in das Montags geöffnete Kaffeemuseum. Es ist winzig klein und dokumentiert lediglich die Kaffeegeschichte des Ortes.
Otto Kühl und seine Gang
Die Eisenbahn ohne Schienen
Die Maschine zum Freilegen der Bohnen
Handmaschine
Interessant ist die Story auch deshalb, weil 2 Deutsche hier die Männer der ersten Stunde waren.
Luis Elster aus Hannover kam mit Frau und Kind hier durch, weil er am Goldrausch in Kalifornien dabei sein wollte. Hier erfuhr er aber, das Kalifornien für Kinder ganz schlecht sei und ließ sich hier nieder.
Er kaufte von den indigenen Land und pflanzte verschiedene Dinge wir Bananen, Obst, Getreide und Kaffee. Nach 3 Jahren hatte er die erste, sehr ergiebige Kaffeeernte.
Er trocknete die Früchte und ließ sie per Ochsenkarren 4 Wochen lang zum nächsten Hafen transportieren und exportierte sie von da aus nach Deutschland.
Auf dem langen Weg verlor der Kaffee aber viel von seinem Aroma, so dass der Ertrag bescheiden war,
Daraufhin erfand er eine Maschine, um die äußere Schale der Bohne zu entfernen. So ließ sich die Bohne besser frisch halten.
Und dann kam später Otto Kühl ins Spiel. Er importierte aus England eine Lokomotive und rüstete sie in Nicaragua so um, dass sie auf Rädern und nicht auf Schienen fahren konnte. Damit verkürzte er die Transportzeit des Kaffees dramatisch und machte viel Geld damit. Das investierte er dann wiederum in Schienen und kaufte noch 2 Loks.
In der Zwischenzeit waren mehrere Kaffeeplantagen entstanden und trugen mit Leichtigkeit auch sein Geschäft.
An anderer Stelle im Museum wird auch berichtet, dass zur Zeit der Kaffeeernte tausende von Wanderarbeitern in die Region kommen und viele Feste gefeiert werden.
Ein sehr sympathisches, kleines Museum mit netten Leuten. Ich habe da auch noch einen Kaffee getrunken und VERDAMMTNOCHMAL war der stark. Etwa so, wie Rohrreiniger, wenn man den in den Ausguss schüttet.
Ich musste danach erst mal wieder ins Hotel zurück…..
Übrigens: der Kaffee kostet hier in einem Café oder in einer Bäckerei zwischen 10 und 15 Cordobas. Das entspricht ca. 50 Pfennigen. Ich rechne das deshalb so um, weil in meiner Jugend der Kaffee bei Eduscho oder Tschibo ebenfalls 50 Pfennige gekostet hat.
Als ich danach wieder in die Stadt ging, kam mir ein kräftiger, stiernackiger Mann entgegen. Er trug ein wunderbares T-Shirt. Aufschrift: You don’t scare me! I have 3 daughters! Wunderbar!
Ich hätte mir gerne die Iglesia de San Jose angesehen, aber sie war wegen Bauarbeiten gesperrt.
Sie war ursprünglich mal ein Gefängnis für Indios und ist dann sehr viel später von den Franziskanern umgebaut worden.
Egal!
Fast um die Ecke war das Geburtshaus des Revolutionärs Carlos Fonseca Armador.
Er wird hier sehr verehrt und war einer der Gründungsmitglieder der Befreiungsfront FSLN, deren Oberhaupt heute der Präsident Ortega ist.
Carlos hat den Widerstand in Nicaragua organisiert und vor allem gegen die Großmach USA und die übermächtige United Fruit Companie agitiert. Er hat Verbindungen zu Castro gehabt und war in der UDSSR.
Faktisch hat er also die eine Großmacht gegen die andere ausgetauscht. Er war ein charismatischer Führer vielleicht vergleichbar mit dem amerikanischen Aktivisten und Bürgerrechtler Malcolm X.
Das Haus ist ein kleines, schmuckloses Gebäude, in dem arme Leute gelebt haben. Carlos war Sohn einer Landarbeiterin und eines Kaffeebarons. Der hat ihn allerdings nicht angenommen, wohl aber eine Schulausbildung finanziert. Es gab viele Fotos zu sehen und einige persönliche Gegenstände, vor allem seine markante Brille.
Der Museumswärter war ein netter alter Mann, der sich über jeden Besucher freute. Wie ich im Gästebuch sehen konnte, kommen nur wenige ausländische Touristen hierher. Heute in der Stadt habe ich auch nur einen gesehen.
Auf dem Weg zum Terminal (ich wollte die Abfahrtszeiten der Busse checken) kam mir ein Verkäufer von gekühlten Getränken entgegen. Das sind meistens ziemlich süße, eiskalte Fruchtgetränke in zugeknoteten Plastiktüten. Er hatte Kakao mit Milch und 2 weitere, die ich aber nicht verstanden habe. Ich entschied mich für ein sehr sehr rotes Getränk.
Leider bekam ich keinen Strohhalm, so dass ich eine Ecke des Beutels abbeißen musste.
Und dann drückte ich mir das Getränk in den Mund.
Sehr sehr dunkelrot.
Wirklich dunkel dunkelrot.
Woran denken wir da?
Ich hatte schon so eine Befürchtung.
Und sie bewahrheitete sich. Rote Beete.
Es war Rote Beete-Saft.
Aber er schmeckte nicht mal schlecht. Leicht gesüßt und eiskalt. Wieder eine neue Erfahrung!
Nachdem ich dann am Busterminal nach den Bussen geschaut habe, die mich morgen (hoffentlich) nach Leon bringen, bin ich in eine kleine Comida am Markt eingekehrt. Ein Spieß mit Schweinefleisch, ein Stück gegrilltes Huhn, sehr leckeren (scharfen) Salat und dann etwas, was ich nicht kenne. Sieht aus, wie sehr dünn geschnittene (1 mm) Bananen, ist frittiert und schmeckt eher nach Kartoffelchips. Lecker!
Nach einer Verschnaufpause war ich noch in der Kathedrale, die aber wenig aufregend war. 2 Museen, die auch noch auf meiner Liste standen, waren (Montag) zu.
Also ging ich kreuz und quer durch die Stadt und entdeckte unweit der Kathedrale noch ein schönes Viertel.
Schön ist es eigentlich nicht. Es ist bunt, viele Leute und Autos laufen herum, viele kleine Shops. Es gibt unheimlich viel zu sehen. Sei es ein architektonisch interessantes Haus, ein skurriles Geschäft, ein Sarghändler oder eine Bar mit Berufsalkoholikern.
Ich schlendere langsam durch die Straßen und bin begeistert.
Granada war schön. Die bunten Häuser, die rechtwinkligen Straßen…toll. Aber dort hat (in meinen Augen) das Leben gefehlt.
Das hier ist eine bewohnte Stadt. Junge und Alte, aufgeregte Autofahrer….hier findet das Leben sichtbar und hörbar statt.
Wohlgemerkt, es ist nichts Besonderes, nur Nicaragua.
Schließlich komme ich rein zufällig bei einem Friseur vorbei. Ich strich durch meinen Bart und dachte: ja!
Ich habe keinerlei Rasierzeug dabei und der Bart wuchert einfach so vor sich hin und verleiht mir dann irgendwann wieder das Aussehen von Käpt‘n Iglo.
Ich ging also rein und redete mit einem jungen Mann. Solo aqui! (Auf den Bart deutend) und solo tres a quattro millimetros.
Er zeigte auf meine Haare. „No, no!!! Solo aqui!“
Und dann machte er sich an die Arbeit. Hätte er eine Doktorarbeit über das Bartscheren erstellen müssen: es hätte gepasst. Erst saß ich, dann lag ich in dem verdächtig nach Zahnarztstuhl aussehenden Friseursessel. Auf meinem Bauch breitete er seine Werkzeuge aus. Verschiedene Trimmer, Scheren, Kämme, irgendwelche Tinkturen.
Er kümmerte sich um die Bartlänge, schnitt aber auch den Rand am Hals und an den Wangen. Dann rasierte er die nun freigelegten Flächen.
Mit einer bloßen Rasierklinge in der Hand. Langsam und vorsichtig über meine Kehle.
Spannend.
Zu guter letzt machte er sich (ja, das ist mir peinlich) über die Haare an den Ohren und in der Nase her.
Fast eine halbe Stunde hat die Prozedur gedauert. Aber so ordentlich hat mein Bart auch noch nie ausgesehen. Nur schade, dass ich nicht alle 4 Wochen nach Nicaragua fahren kann, vor allem, wenn der Transfer von Managua nach Matagalpa so aufwändig ist.
Aber Qualität hat ihren Preis. Umgerechnet ca. 2,70€ (vor Trinkgeld) kostete die Arbeit. Aber das war es mir wert.
Fazit: Matagalpa ist neben Rivas (San Juan del Sur zählt nicht, die haben Strand) die bisher schönste Stadt hier. Und die charmanteste.
Sehr billig
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