Ruínas de San Andrés



El Salvador ist eine Mogelpackung. Das, was draußen drauf steht, ist nicht drin. Draußen steht: Mörder, Diebe, Räuber, Schänder.

Und drinnen?

Folgende kleine Story:


Ich wollte heute zu einer Maya-Stätte, den Ruínas de San Andrés. Die sind 45km entfernt und mit Auto ist das keine Story wert. Auch, wenn davon abgeraten wird, in dieser hektischen Stadt Auto zu fahren.

Ich werde also den Bus nehmen.


Teil 1: ich spreche mit der Rezeptionisten. Den Text habe ich mir vorher auf Spanisch zurechtgelegt. Sie hat aber im Gespür, dass ich die Antwort nicht verstehen werde und hole einen jungen Mann, der ein paar Worte Englisch spricht.


Teil 2: der Typ fängt an zu zeichnen: 4 Blocks geradeaus, 1 Block rechts. Da ist der Bus Nr. 8, der mich zum Terminal Occidente bringen wird.


Teil 3: Bushaltestellen sind hier nicht näher bezeichnet. Mal ist ein Schild mit Pictogramm da, mal steht da „Parada de Autobus“. Mehr nicht. Hier stand nichts, außer einem älteren Ehepaar. Die fragte ich. Ja, hier sei ich richtig. Als der Bus kam, drehte der Typ sich um und deutete auf den Bus: diesen hier!

Im Bus waren noch 2 Plätze frei, aber ich blieb stehen. Der Typ deutete auf den Platz: hinsetzen! 

Und als wir am Terminal ankamen, stieß er mich an und zeigte auf die Türe: aussteigen! Hier geht man nicht verloren!


Teil 4: Im Terminal war ein Info-Schalter. Ich sprach mit dem Typen, aber er schien sich nicht auszukennen. Dann googelte er und zeigte auf einen Bus hinter mir: Bus 102! Ich ging zu dem Bus und merkte, dass er hinter mir herkam. Und er ging zum Fahrer und briefte den. Cool!


Teil 5: ich setzte mich schräg hinter den Fahrer, um in Kontakt zu bleiben. 


Alles kaputt im Bus!





So konnte ich auch die Instrumente des Busses sehen. Tacho und Drehzahlmesser hatten beide kein Glas und keine Zeiger mehr. Auf dem Armaturenbrett lag ein Blinker, wie er an Motorrädern vorhanden ist. An einem Stück Kabel. Es war der Ersatz für die Kontrollleuchte. Am schlimmsten war der 3. Gang. da war die Synchronisation kaputt. Jedesmal (und das war oft), wenn er vor- oder zurückschaltete, hab es dieses häßliche Geräusch. Bei der Bundeswehr sagte mein LKW-Fahrlehrer gerne: du schaltest, wie ein Soldat spricht: laut und deutlich!


Als wir (lt. Google) 1 km vor dem Ziel waren, machte ich mich bemerkbar. Er winkte ab. Sein Handzeichen sagte: noch ein Stück. Und genau am Eingang des Parks (da war keine Haltestelle) ließ er mich raus.


Teil 5,5: Das passt nicht so ganz hierher, aber irgendwie doch. Ich ging in den Park, schaute alles an, fotografierte viel, da kam ein schwerbewaffneter Wärter auf mich zu. Er deutete auf den Platz und meinte: Ceremonias! Ich wusste das zwar, fand es aber trotzdem nett. Dann machte er noch ein Foto von mir, bestätigte, dass es sehr heiß sei, fragte, wo ich herkomme und fand Deutschland toll. Total nett.


Teil 6: Als ich ging, kam ich an  einem weiteren Wachmann am Tor vorbei. Ich fragte (sicherheitshalber), ob ich gegenüber einen Bus zum Terminal in San Salvador anhalten könne. 

Ja, das ginge. Bus 100. Nein, meinte ich: 102. No, erwiderte er: 100!

Shit! Ich kenne das System. Man fährt von A nach B mit der Linie 102, aber von B nach A ist es eine andere Linie. Die Busse fahren im Kreis. Einer gegen den Uhrzeigersinn, der andere dagegen.

Ich bin mal in Rio 15 Minuten von der Copacabana zum Zuckerhut gefahren und dann mit dem gleichen Bus in einem riesigen Kreis durch ganz Rio de Janeiro in 3 Stunden wieder zurück zum Strand, wo ich wohnte. Ich hätte hier lange auf den Bus 102 warten können! Danke, lieber Wärter.


Teil 7: Aus unerfindlichen Gründen habe ich nach rechts geschaut, um das Terminal zu finden. Der Fahrer von Bus 100 hatte sich aber gemerkt, dass ich hier rauswollte und komplimentierte mich zum Ausgang.


Teil 8: Draußen wollte ich mich erst mal orientieren, wie ich das immer mache. Neben mir hörte ich TaxiTaxiTaxi!

No! Sagte ich etwas unwirsch.

Wohin ich wolle? Mercado Central sagte ich, nur, um irgendwas zu sagen. Bus 7b und Bus 22, meinte er. Aber die würden heute (Sonntag) nicht fahren!

Ja, dachte ich. Die Nummer ist alt.

Er redete weiter: ich könne mit dem Bus 4 bis ins Centro Historico fahren, von da aus müsste ich aber zu Fuß gehen. Es sei aber nicht so weit.

Was war das? Ein Taxifahrer, der mir einen Bus empfiehlt? Oder genauer: Ein Taxifahrer an einem Busbahnhof (das sit genau so ein Bescheissertreffpunkt wie ein Flughafen) der mir einen Bus empfiehlt?

Ich habe mir schon länger angewöhnt, mich Leuten, die mir behilflich sind, kurz vorzustellen. Einfach ein kurzer Satz: „ich bin Reisender aus Deutschland und fahre durch dein Land. Es gefällt mir sehr gut und auch das Essen ist toll.“

Das kommt immer gut an und ist mein kleines Dankeschön. Der Taxifahrer war auch begeistert, fand im Gegenzug Deutschland auch toll und gab mir 2x die Hand.


Teil 9: ich ging zu dem Bus gegenüber, denn wenn der ins Centro fährt, ist das genau mein Bus. Ich zeigte den Schaffner meine Hoteladresse, er nickte, ging zum Fahrer und instruierte den.


Teil 10: Der Fahrer holte mich nach vorne und hieß mich auf dem heiligen Stuhl 🤪 neben ihm Platz zu nehmen, auf dem sonst nur der Schaffner sitzen darf. Wir fuhren los und er fragte mich woher….auch er fand das toll. Wir hielten an einem kleinen Kiosk und er rief: Agua! Die Frau brachte 2 kleine Plastikbeutel mit kaltem Trinkwasser, bei denen man einfach eine Ecke abbeißt und dann trinkt. Ich nahm die Tüten entgegen und wollte sie weiterreichen. Nein, eine für ihn, eine für mich. 


Unheimlich netter Busfahrer!


Und wenig später hielt er genau vor der Türe meines Hotels.


So eine Serie von Hilfsbereitschaft habe ich noch nie erlebt. Hier sind unheimlich freundliche und hilfsbereite Menschen, sehr liebenswert.

Ich fürchtete allerdings, dass es hier auch Mörder gibt. Wenn die allerdings genau so freundlich und hilfsbereit wären…


Die eigentliche Geschichte: ich bin also zu der Maya-Stätte gefahren. 

Klar, man hätte sich ein Taxi nehmen können (40-50€) oder einen Leihwagen. Aber so, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, habe ich eher das Gefühl, mir das Ziel erarbeitet zu haben. Für mich gehört das dazu. 

Betreutes Reisen und betreutes Wohnen haben für mich den selben Stellenwert. So lange es nicht sein muss…


Am Ort angekommen ging es erst mal lange durch den Wald, bis das Kassenhäuschen auftauchte. 5$ später war ich drin. Zuerst kam ein kleines Museum, in dem die Anlage zu 80% auf Englisch erklärt wurde. Super! 

1892 erstmals entdeckt wird hier seitdem gegraben. Die neuesten Funde sind Hundeskelette und Kinderspielzeug. Die Anlage ist teilweise zerstört, weil die aktiven Vulkane in der Umgebung ihre Arbeit getan haben. Sie haben aber auch mit Auswurf und viel Staub dafür gesorgt, das hier alles so lange verborgen war und erst mühsam ausgegraben werden musste.

Die Maya gehörten zu Stämmen, die mit denen in Tikal (Guatemala) und Copan (Honduras) verbunden waren. Tikal habe ich besucht, Copan stand auf meiner Liste, bevor ich Honduras gestrichen habe.

Hier in San Andres war das administrative Zentrum dieser Gegend. Die Hochzeit der Maya in diesem Bereich war zwischen 600 und 900 AD. 


Ausgrabungen

Kultgegenstände der Maya





Auf dem Gelände befindet sich ein Teilstück einer Pyramide, ein Platz für religiöse Anlässe und ein Gebäude, das wahrscheinlich auch zu religiösen Zwecken genutzt wurde. Profane Wohnsiedlungen waren nicht aus Stein gebaut, das war sakralen Bauwerken vorbehalten. 


Hier gibt es auch eine Besonderheit. Normalerweise bauten die Maya mit Sandstein, aber den gab es hier nicht. Sie haben dann den verfügbaren Tuff (vulkanisches Gestein) genommen und an die 500.000 Ziegel aus Lehm und Stroh hergestellt. Das gibt es sonst nirgends. 










Die Anlage ist sehr gepflegt, was auch daran liegt, dass alles eingezäunt ist und das oben genannter Wachmann aufpasst. 








Mein Freund, der Wärter!



Ein Bereich war eingezäunt und überdacht. Dort führt eine Treppe in die Tiefe und ca. 8-10 m tiefer gibt es ein Tor nach ???

Ein sehr mystisches Loch. Leider kann man nicht viel erkennen, sieht aber spannend aus. Wahrscheinlich der jetzige Ort der Ausgrabungen. 




















Ein interessanter, kleiner Ausflug.


Ach, noch was. Während ich in den alten Steinen rumstolperte, hörte ich deutlich Maschinengewehrsalven. Mehrmals. 

Das hört man hier nicht gerne. Als ich später zurückfuhr, sah ich aber 500m hinter der Maya-Site 2 Kasernen. Das erklärt vieles. 


Wieder zurück in San Salvador ging ich ins Zentrum. Zuerst mal zu einem der Restaurants, in denen ich gestern essen wollte. 

Zu.






Dann zum 2. Restaurant. Dort standen ca. 40-50 Menschen in einer langen Schlange vor der Türe. Ich war offensichtlich nicht der einzige mit Hunger. Ich gab auf und ging zu dem kleinen Markt, wo ich mir eine Comida aussuchte. Und da habe ich mir etwas Huhn, Salat und eine Flasche Bier (14:00h) gekauft. Egal! Ich hatte heute schon viel erlebt! 




Lecker!

Nach kurzer Pause (Bier macht müde) bin ich noch mal ins Zentrum, jetzt aber zur Kathedrale gegangen. Insgesamt war es im gesamten Zentrum unheimlich voll. Normale Bürger mit Kind und Kegel beim Sonntagsausflug.

Die Kathedrale ist, wie es sich gehört, sehr groß, aber auch ungewöhnlich hell und (für Katholiken) schmucklos. So richtig toll fand ich sie nicht.






Der guckt so traurig, weil der Priester wieder…..

Anders den Mann, der mich beim rausgehen ansprach. Ich mag das eigentlich nicht, aber irgendwie sah der aus wie „echtes Interesse“. Er sprach gut englisch und wir hatten eine kurze, aber nette Unterhaltung, die dann auch mit Händeschütteln und „safe travel“ endete. Netter Kerl.


Nächstes (kleines) Highlight war die furchtbar häßliche und wunderschöne Iglesia El Rosario. Von außen ist das ein Betonbunker, wie er häßlicher nicht sein kann. Schöne Bunker gibt es nicht.






Sensationelles Lichtspiel!





Es war ein kleines Highlight, weil ich nicht hineindurfte. Es fand gerade eine Messe statt. 

An der Pforte stand ein massiger Türsteher, der Gläubigen die Hände desinfizierte und Touristen wie mich aufhalten sollte. 

Ich fragte ihn, ob ich ganz unauffällig und ganz hinten vielleicht 1-2 Fotos machen dürfe und er gestattete es. 

Die vielen kleinen bunten Fenster geben ein sehr mystisches Licht und zusammen mit der ungewöhnlichen Bauform war das wirklich superschön! 


Alle guten Dinge sind 3. jetzt wollte ich auch noch die Sagrado de Jesus sehen. Die hatte ich ursprünglich wegen ihrer 2 Türme auch für die Kathedrale gehalten. Aber hier hat offensichtlich jede Kirche mehrere Türme. Die Kirche ist sehr hoch und sehr schmal. Nicht nur die Türme sind hoch, auch das Kirchenschiff kommt mir gewaltig vor. 




Fremd…



Gewaltiges Gotteshaus!





Sie ist innen ziemlich dunkel, was aber auch eine tolle Stimmung verursacht. Interessantes Bauwerk. 


Die ganze Zeit hatte ich schon Musik gehört. Im Zentrum gibt es mehrere große Plätze, gerne mit Reiterstandbild. 


Auf dem Weg dahin kam ich an einer Bushaltestelle vorbei. Dieser Teil passt nicht zum Rest der Geschichte. Aber es ist eigentlich keine Geschichte, sondern mein Tag, wie ich ihn empfunden habe.

An der Bushaltestelle spielte ein kleines Mädchen. Sie sprang und tanzte herum, lachte die ganze Zeit. Sie war vielleicht 5 oder 6 Jahre alt.

Sie bewegte ihre Arme, als ob sie fliegen würde und ihre gute Laune war ansteckend.

Die Arme, die sie bewegte, waren 7-10 cm (incl. Hand und Finger) lang. 

Auch wieder eine Missbildung, wie ich sie von Contergan kenne. Furchtbar.

Aber das Mädchen hatte wohl noch nichts von Contergan gehört und die Lebensfreude, die es ausstrahlte, hat mich umgehauen. Beeindruckend!


Ich ging also weiter zu den 3 großen Plätzen. Hier war die Hölle los. Halb San Salvador schien hier versammelt zu sein. An einem Platz vor dem Theater war eine Truppe mit südamerikanischen Kostümen, die zur Musik tanzten.







Tolle Stimmung!









Aber an den anderen beiden Plätzen ware jeweils kleine südamerikanische Bands. Sie hatten Gitarre, Akkordeon, Schlagzeug und Rasseln. 

Von Gitarre und Akkordeon hörte,man fast nichts. Die Schlaginstrumente mit mitreißenden Rhythmen dominierten das Spiel. 

Wow!

Das ging wirklich in die Beine.

Alle Menschen rund um die Band (beide waren ziemlich gleich) bewegten sich fast unmerklich zu dem Takt und 8-10 von ihnen tanzten dazu. Interessanterweise alle über 50! Und sehr taktsicher. Ich hatte große Lust, mitzumachen, habe mich aber dann doch nicht getraut.

Obwohl mir eine 50-jährige (junges Ding) aufmunternd zulächelte. 


Was gab‘s noch? Es war ein ereignisreicher Tag, aber wenn ich dann die Fotos durchsehe, fällt mir immer noch was ein. 

Da war die (wahrscheinlich) Bingo-Bude. Hier saßen viele Menschen an Tischen, auf denen Spielfelder oder Karten aufgebracht waren. Und sie markierten die Felder, die schon gezogen waren, mit einem Maiskorn. Verrückt!


Bingo!



Und dann war noch der kleine Flohmarkt. Leite hatten jede Menge Kleinzeugs auf der Straße ausgebreitet und versuchten, damit Geld zu machen. Ist immer wieder toll, zu sehen, was es alles für Sachen gibt….








Es war ein toller, spannender Tag. Und mein (fremdbestimmtes) Bild von El Salvador ändert sich Schritt für Schritt. Klar sind hier Mörder. 

Aber in Düsseldorf wurde gestern auch wieder jemand in der Altstadt niedergestochen. 

Hier sind aber auch viele freundliche Menschen. Mir ist folgender Gedanke gekommen. Die Asiaten sind oft freundlich und liebenswert. Die Thais oder die Burmesen lächeln viel und deren Kultur lässt böse Worte nicht zu.

Hier wird vielleicht nicht so viel gelächelt, aber die Leute handeln einfach. Und lächeln dann. Gefällt mir gut!


Aber generell sind es genau solche Begegnungen mit „Einheimischen“ oder generell mit Menschen, die sich um andere kümmern, die das Reisen für mich so attraktiv machen. Solche Zuwendungen, oder wie immer man das nennen will, habe ich häufig erfahren dürfen!


Heute ist Sonntag. Ich würde gerne was essen. Gegen 18 Uhr merke ich, wie die Marktstände alle zumachen. Auch die Comidas und „to go“- Stände. 

Panik!

Der Supermarkt hat noch bis 19 Uhr auf. Ich sichere mir eine Dose Bier und eine Tüte Nüsse. Notration!


Hier im Supermarkt kann man mit Karte bezahlen, muss aber eine Legitimation (Pass) vorzeigen. Die notieren dann gewissenhaft die Passnummer und das Leben geht weiter. Ich habe ja immer sicherheitshalber eine alte Gesundheitskarte dabei. Die Dinger sind toll. Da ist ein Chip drauf, ein Foto und eine Nummer. Ich habe die schon oft benutzt, um mich auszuweisen oder um sie z.B. beim Leihen eines Mopeds zu hinterlegen. Den Pass gebe ich ungern aus der Hand. 

Das Mädchen hier hat schon 3mal gewissenhaft die Nummer meiner Gesundheitskarte auf dem Bon notiert….


Dann gehe ich zum Hotel. Auf dem Weg komme ich an einer kleinen, schmuddeligen Comida vorbei. 

Jetzt oder nie.

Meine Wahl: eine Tortilla, etwas Reis und ein Stück Schweinefleisch.

Ich weiß nicht, warum ich die Tortilla bestellt habe. Wenn man ein Stück Pappe in Wasser aufweicht: fertig ist die Tortilla! Ich werde mit den Dingern nicht warm! 










Reis mit dunklen Bohnen. Gibt es hier zum desajuno, zum almuerzo und zur cena. Also immer. Und es schmeckt auch immer gleich.

Na ja, das Schwein war nicht schlecht, nur etwas zäh und sehnig. 

Aber es war Nahrung. Und ich habe „salvadorianisch“ gegessen. Während ich wartete und aß (für das Schwein brauchte ich länger) kamen 5 Leute und bestellten Essen für zuhause. Tortilla und Reis, mit Pollo. Wohl bekomm‘s!

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